Fehler zugeben? Nein! Lieber Geschichtsklitterung

Jeder verdrängt gern eigene Fehlleistungen – bei BILD macht man das konsequent, und seien sie noch so groß. Heute lesen wir online einen Vorbericht zum Besuch der Bundeskanzlerin bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth. Darin der schöne Absatz: „Die Kanzlerin hat nicht nur gute Erinnerungen an die Bayreuther Festspiele. Im ebenfalls sehr heißen Sommer 2015 brach in der Pause ein Stuhl unter ihr zusammen, weshalb in Windeseile Gerüchte über einen Kreislaufkollaps die Runde machten.“

„Bild“ berichtet am 25. Juli 2019 über „Gerüchte“ …

Das ist sehr selbstschonend formuliert. Es war nämlich die BILD (und nicht irgendwelche „Gerüchte“), die weltexklusiv genau heute vor vier Jahren gegen 22:45 Uhr die (Falsch-)Meldung verbreitete, Angela Merkel sei in Bayreuth zusammengebrochen und in Ohnmacht gefallen. Binnen Minuten verbreitete sich diese BILD-„Exklusiv“-Meldung rund um den Erdball.

… die „Bild“ vier Jahre zuvor selbst verbreitet hatte: Falschmeldung! Es gab keinen Kollaps.

Ich hatte damals Dienst als stv. Sprecher der Bundesregierung und bis drei Uhr nachts damit zu tun, ungläubigen (und so gut wie nicht erreichbaren) Journalisten die Wahrheit zu vermitteln: nicht Merkel war zusammengebrochen, sondern nur ihr Stuhl. Was auch nachprüfbar war.

Was BILD damals verschwieg (oder von ihrem „wirklich super vertrauenswürdigen“ Informanten nicht erzählt worden war): Der einzige Mensch, der an diesem Abend in Bayreuth wirklich ernsthafte gesundheitliche Probleme hatte, war der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer. Der erlitt tatsächlich einen Kreislaufkollaps und wurde mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gefahren. Darüber wurde dann aber erst viel später (und viel kleiner) berichtet.

Dieser Vorfall hatte mich an meinen Lieblingsfilm „Wag the dog“ erinnert, in dem wir gelernt haben: überdecke schlechte Nachrichten mit noch schlechteren.

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