Gabor Steingart von der „Zeit“ als „Käpt’n Blaubär“ entzaubert

Einer meiner Lieblings-Journalisten in der Kategorie „Angeber“ heißt Gabor Steingart. Jeden Morgen bereichert er uns mit einem Werk namens „Das Morning Briefing“, und auch abends schickt er uns oft noch ein Morning Briefing (woran man schon eine gewisse Abgehobenheit von Raum und Zeit erkennen könnte). Gabor Steingart kann nur groß – nein: sehr groß! Und der Größte ist natürlich Gabor Steingart selbst.

Nach der etwas ruppigen Trennung vom Handelsblatt, wo er zugleich Chefredakteur und Geschäftsführer war, wollte er nun allen mal zeigen, was eine Harke ist, und den Journalismus oder das, was er dafür hält, ganz neu erfinden. Herausgekommen ist die Idee, eine Redaktion auf einem Schiff einzusperren und auf Werbeeinnahmen völlig zu verzichten. „Wir wollen als erste deutsche Redaktion ohne Werbegeld arbeiten, weil wir glauben, dass publizistische Unabhängigkeit und finanzielle Abhängigkeit von großen Anzeigenkunden nicht mehr in die Zeit passen“, tönte er im Mai 2019, als er die Gründung seiner neuen Firma „Media Pioneer Publishing“ bekannt gab.

Er machte sich in der Branche besonders beliebt, als er im Februar dieses Jahres dazu aufrief, Zeitungs- und Zeitschriften-Abonnements zu kündigen, weil die von ihm kritisierten Groß-Medien 2016 eine Wahlniederlage von Donald Trump vorhergesagt hatten, 2017 Martin Schulz als Retter der SPD ans Herz gelegt und anschließend Annegret Kramp-Karrenbauer als neue Kanzlerin vorgestellt hätten. Sie haben geirrt, versagt, natürlich – und so etwas würde Gabor Steingart natürlich nie passieren.

Deshalb also lieber „100% Journalismus“, und zwar ohne jede Werbeeinnahmen. Stattdessen sollen Steingarts Leser alles bezahlen: Steingarts Schiff „Pioneer One“ und eine hochkarätige Redaktion mit hochkarätigen Gehältern. An Geld, protzte Steingart, mangele es nicht, das reiche für ein paar Jahre. Und er fand mit diesem erstaunlichen Konzept auch Geldgeber: Axel Springer stieg zu knapp 50% ein. Ist ja auch viel schöner, fremdes als eigenes Geld auszugeben. Die Leser haben die Wahl, 25 Euro, 50 Euro oder 833 Euro (!) pro Monat für total exklusive Nachrichten zu bezahlen (Studenten kommen mit 10 Euro weg).

Vor einer Woche musste man schon sehr hellhörig werden. Da interviewte die Verlegerin Katarzyna Mol-Wolf Gabor Steingart, und der überraschte mit einem deutlichen Hinweis auf ein mögliches Scheitern seines Konzepts: „Wenn wir eines Tages doch Anzeigen nehmen müssten, weil es anders nicht geht, dann ist diese Idee gescheitert, und dann weiß ich nicht, ob ich noch der richtige bin, das weiterzuführen.“

Jetzt, eine Woche später, piekste die „Zeit“-Journalistin Hannah Knuth mit spitzer Feder in den Steingart-Ballon und es machte ganz laut „pffffffffff“. Unter der schönen Überschrift „Käpt’n Blaubär“ (allein dafür könnte ich die Kollegin schon knutschen) enthüllte sie, dass Steingart sich den Strom für sein Schiff von einer RWE-Tochter (RWE Supply & Trading GmbH) schenken lässt. Und – Überraschung! – RWE-Chef Rolf Martin Schmitz war in diesem Jahr schon zweimal Gast in Steingarts „Morning Briefing Podcast“.

Mittlerweile gibt es auf der Website von „mediapioneer“ einen deutlichen Hinweis auf noch viel mehr großzügige Geschenke von Geldgebern, die nicht Anzeigenkunden sind, die euphemistisch „Partner“ genannt werden.

Von insgesamt sieben (!) Firmen nimmt Steingart Geschenke an. Darunter „König-Pilsner“ (zwei Jahre umsonst saufen auf „The Pioneer One“) und Walter Knoll (die chicen Möbel).

Lustig ist, wie Steingart auf seiner Website nicht nur seine Sponsoren erwähnt, sondern auch gleich nochmal Werbung macht. Uber z.B. transportiert die prominenten Gäste aufs Schiff – „Die Fahrgäste können den Service erleben.“ Oder die Catering-Firma „Wald und Wiese“ – die auch gelobt wird: „Die Dinner-Gäste können den außergewöhnlichen Service an Bord erleben.“

Um es klar zu sagen: Ich finde es völlig normal, dass Medienunternehmen mit Werbung Geld verdienen. Ich finde es überhaupt nicht normal, wie Gabor Steingart zu behaupten, dass es ohne ginge. Was zu beweisen war: 100% Märchen.

Die ganze Geschichte hier bei der „Zeit“ (paid)

https://www.zeit.de/2020/31/media-pioneer-gabor-steingart-werbung-rwe

So berichtete die „Zeit“ am 22. Juli über Gabor Steingart

Um das ganze Ausmaß der Angeberei von Gabor Steingart zu begreifen, empfehle ich seinen Werbesport von Mai 2019 anzusehen:

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