Wenn Firmenchefs bei Politikern anklopfen und um Unterstützung werben, sollte spätestens seit dem „Wirecard“-Skandal eine innere rote Lampe aufleuchten. Diesmal geht es um den Flugzeugteile-Hersteller „Premium AEROTEC“ in Augsburg. Das Schweizer Unternehmen „Montana Tech Components AG“ möchte die 100%ige „Airbus“-Tochter kaufen, ein Filetstück des europäischen Luftfahrtkonzerns. Gründer, Mehrheitsaktionär und Vorstandsvorsitzender von „Montana“ ist ein – sagen wir mal: schillernder – Österreicher: DDr. (Doppel-Doktor) und Milliardär Michael Tojner. Er wirbt zur Zeit intensiv bei Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) um Vertrauen. Tojner soll bei beiden schon persönlich vorgesprochen haben. Trau, schau, wem: Beide haben möglicherweise noch gar nicht mitbekommen, dass gegen Tojner seit dem vergangenen Jahr in Österreich wegen des Verdachts auf Betrug, Untreue und Abgabenverkürzung ermittelt wird. Da sollten Söder und Altmaier nochmal hinschauen.
„Premium AEROTEC“ ist für Airbus ein so genannter „Tier 1“-Lieferant, steht also in der Zuliefererkette ganz oben: Kerngeschäft ist die Entwicklung und Fertigung von großflächigen und komplexen Flugzeugkomponenten aus Aluminium, Titan und Kohlenstofffaserverbundwerkstoffen (CFK) z.B. komplette Rumpfsektionen, Fußbodenstrukturen, Flügelkomponenten, Ladetore und Druckschotts..
Premium AEROTEC ist mit seinen Produkten in sämtlichen zivilen Airbus-Programmen vertreten. Zu den aktuellen militärischen Programmen zählen der Eurofighter „Typhoon“ und der Militärtransporter A400M. Derzeit spielt „Premium AEROTEC“ bei der Weiterentwicklung des Airbus „A321LR“ zum „A321XLR“ eine wichtige Rolle: Durch einen „Rear Center Tank“ (RCT) im Boden, der fast 13.000 Liter Kerosin fasst, soll die Reichweite auf 8.700 Kilometer gesteigert werden. Der Erstflug ist für 2022 geplant.
„Premium AEROTEC“ ist mit seiner Spitzentechnologie sehr erfolgreich. Mit über 9.000 Beschäftigten an verschiedenen Standorten in Deutschland und Rumänien und einem jährlichen Umsatz von rund zwei Milliarden Euro ist Premium AEROTEC Europas Nummer Eins in diesem Segment. Dennoch gibt es seit Jahren Unruhe um das Unternehmen. Immer wieder hat die „Airbus“-Mutter überlegt, die Tochter zu verkaufen, um Kosten zu senken. Letztlich schreckte man aber immer wieder zurück.
Die deutsche Politik ist deshalb involviert, weil der Staat mit knapp elf Prozent an Airbus beteiligt ist und zusammen mit Frankreich und Spanien eine Sperrminorität in Höhe von 26 Prozent der Firmenanteile hält. Was immer also bei Airbus passiert, ist somit auch politisch. Zumal es um viele Arbeitsplätze geht. Und jetzt, wo in der Corona-Krise auch die Luftfahrtindustrie in eine schwere Krise kommt, wächst der Druck.
Plötzlich tritt jetzt der Österreicher Michael Tojner auf, der sich in den vergangenen Jahren mit seiner „Montana“ in der Schweiz ein Zulieferer-Imperium für die Luftfahrt zusammengekauft hat. „Premium AEROTEC“ noch schlucken zu können, wäre für ihn ein Triumph. Er verkauft sein Ziel dezent als „Rettung der deutschen Zulieferindustrie“.
Frankreich wird als Gegner definiert
In zwei Powerpoint-Präsentationen, die mir ein Unbekannter in meinen diskreten Briefkasten geworfen hat, feiert sich Tojner als Retter der des deutschen Flugzeugbaus: „Durch staatliche und europäische Hilfe könnte es Deutschland gelingen, Vorreiterrolle im Flugzeugbau zu übernehmen“. Sein Feindbild ist klar definiert: Frankreich. Tojner will die Airbus-Tochter „Premium AEROTEC“ haben, um gegen Frankreich in den Überlebenskampf der Zulieferindustrie zu ziehen: „Durch Staatsbeteiligung bildet sich derzeit in Frankreich ein großer Zulieferkonzern für die Luftfahrtindustrie“, heißt es in der Präsentation.
Da wird klar, dass der Mann des schnellen Geldes (in Österreich wurde er als „Mister 300 Prozent“ bezeichnet) etwas geschichtsvergessen ist. Das Fundament des Airbus-Konzerns ist die deutsch-französische Freundschaft – nicht Feindschaft. Kooperation statt Konfrontation. Das ist der Grund, weshalb Frankreich 10,96%, Deutschland 10,94% und Spanien 4,13% des Airbus-Konzerns besitzen und eine gemeinsame Sperrminorität halten.
Airbus entstand als gemeinsame Antwort Europas auf die einst den Luftraum beherrschende Amerikanische Luftfahrtindustrie. Dass der EU-Bürger Tojner, dessen Firma im Nicht-EU-Land Schweiz residiert, etwas geschichtsvergessen argumentiert, könnte ein Hinweis darauf sein, dass es ihm möglicherweise mehr um sich und sein Unternehmen geht und weniger um Europa, Deutschland oder Arbeitsplätze in Deutschland.
Interessant ist auch, dass Tojner sich in seiner Präsentation für die deutschen Politiker gleich noch den Schweizer Technologie- und Luftfahrtkonzern „Ruag“ als „Strategische Beteiligung“ einverleibt hat. Auch die „Ruag“ ist in Deutschland vertreten, hatte 2008 im bayerischen Oberpfaffenhofen die „Dornier Luftfahrt GmbH“ übernommen. Den Spezialhersteller „Deharde“ in Varel hat Tojner ebenso auf seiner Einkaufsliste. Beide Firmen wissen davon noch gar nichts.
Wer ist nun dieser Michael Tojner aus Österreich, der mit seiner Schweizer Firma deutsche Spitzentechnologie wegkaufen will? In Österreich wird viel über diesen Mann geschrieben, der einst mit dem Verkauf von Eis am Schloss Schönbrunn sein erstes Geld verdient hat. Das Wirtschaftsmagazin „Trend“ bezeichnete ihn als „Geldnase“, was ihn sehr geärgert hat.
Wo Tojner auftritt, bleibt Ärger selten aus
Im Magazin „Profil“ lesen wir: „Tojner hat ein Geschäftsmodell daraus gemacht, gesetzliche und vertragliche Grauzonen und Lücken auszureizen. Dieses Muster zieht sich seit dem ersten Schönbrunner Eiswagen durch seine professionelle Vita. Schon in den 1990er-Jahren sah er sich mit Beschwerden erboster Anleger konfrontiert, die ihm anlasteten, als Fondsmanager unanständig hohe Gebühren verlangt zu haben. 2012 brachten sich Investoren seiner Schweizer Montana Tech in Stellung. Tojner wurde mangelnde Transparenz und die Ungleichbehandlung von Aktionären vorgeworfen.“ Dort wird auch die Unternehmerin Eva Dichand mit den Worten zitiert: „Er ist ein unglaublich geschickter Verhandler. Er schlichtet einen Konflikt, alle sind zufrieden, und 24 Stunden später kommt man drauf: Hoppla, das war ja ganz zu seinem Vorteil.“
Oder in Kurzfassung: „Wo der Unternehmer auftaucht, bleibt Ärger selten aus.“
Über Tojners Aufstieg wird berichtet: „Ende der 1990er-Jahre fing er mithilfe der Meinl Bank an, Geld bei Investoren einzusammeln, um in aufstrebende Unternehmen zu investieren, woraus sich sein Investmenthaus Global Equity Partners entwickelte. Diese Phase in seinem Leben war es auch, die ihm den hartnäckigen Ruf des Glücksritters, der Heuschrecke eintrug. Mehr als 50 Unternehmen will Tojner im Lauf der Jahre gegründet und/oder ge- und verkauft haben; der Wettanbieter bwin war eines davon. Und nicht immer ging Tojners Wirken gut für alle Beteiligten aus. Er habe damals „sehr viele unzufriedene Anleger zurückgelassen“, sagte der Anlegerschützer Wilhelm Rasinger kürzlich in einem „Standard“-Interview. Tojner selbst sei bei diesen Konstruktionen hingegen „immer auf der Butterseite gelandet“.
Solche Berichterstattung kann man als Unternehmer abstreifen, auch wenn es lästig ist.
In Österreich ermittelt die Justiz gegen Tojner
Nicht abstreifen kann man die Justiz, wenn sie einen im Visier hat: In Österreich wird breit darüber berichtet, dass die Staatsanwaltschaft gegen Michael Tojner wegen Abgabenhinterziehung, Betrugs und Untreue ermittelt. Tojner soll mithilfe von Strohmännern, Treuhändern und einer Stiftung die öffentliche Hand um mehr als 100 Millionen Euro betrogen haben.
Es geht um rund 2.000 Sozialwohnungen, die billig gekauft und teuer weiterverkauft wurden. Wer das tut, muss saftige Ablösesummen zahlen – was nicht geschehen ist. Tojner weist alle Vorwürfe zurück und sagt, er habe damit nichts zu tun. Die Behörden hat das wenig beeindruckt: sie beschlagnahmten erstmal seine Immobilien.
Söder und Altmaier droht Ärger
Ich kann das alles natürlich rechtlich nicht beurteilen – aber Markus Söder und Peter Altmaier wären sicher gut beraten, genau zu prüfen, wem sie ein Filetstück von „Airbus“ überlassen – und ob es gerechtfertigt ist, dafür staatliche Gelder fließen zu lassen. Wie schnell man durch mangelnde Recherche einen Untersuchungsausschuss an der Backe hat, hat Finanzminister Olaf Scholz gerade im Fall „Wirecard“ erlebt.
Ach ja: Ob ein Verkauf von „Premium AEROTEC“ an Michael Tojners „Montana“ wirklich Arbeitsplätze in Deutschland sichert – da wage ich keine Prognose. Gerade hat „Montana“ aber zwei neue Werke gebaut. Das eine in Baia Mare (Rumänien). Das andere in Da Nang (Vietnam).
Nicht in Deutschland, sondern in Rumänien und Vietnam