Es kommt nicht häufig vor, dass mir die Worte fehlen. Aber die Nachricht vom Tod von Michael Spreng hat mich vorübergehend sprachlos gemacht. So einer wie Spreng ist doch eigentlich unsterblich.
Robust und selbstsicher, klarer und klärender Blick auf das Zeitgeschehen. Immer unmissverständlich. Ein Fels in jeder Brandung. Das wünscht man sich, das macht einen guten Chef aus. Eine klare und eindeutige Orientierung, aus der er ebenso klare und eindeutige Anweisungen ableitet. Das ist Führung, die mehr auf Kompetenz als auf dem Amt basiert. Für mich ein Wert an sich – und es ist zum Heulen, dass wieder einer von uns gehen musste, der für diesen Wert sein Leben lang stand.
Insgesamt elf Jahre lang habe ich für ihn gearbeitet, beim „Express“ und bei der „Bild am Sonntag“. In der Zeit haben wir fast jeden Tag miteinander gesprochen, und ich habe auch fast jeden Tag etwas dazugelernt. Das prägt. Und dadurch wurde er natürlich ein Teil meines Lebens. Ja, es hat auch öfter mal gerappelt, und er konnte ätzend bis kurz vor der Verletzung Kritik üben. Aber erstens hat er die Grenzen des Anstands nie überschritten. Und zweitens hatte er halt leider fast immer recht. Und wenn er, was sehr, sehr selten vorkam, einmal nicht Recht hatte in seiner Kritik, konnte er auch Fehler einräumen oder sogar zugeben. Das ist – ich habe viele Chefs erlebt – selten.
Ich habe viele freundliche Nachrufe gelesen, das meiste ist schon gesagt. Aber eine gute Eigenschaft wurde noch gar nicht erwähnt, die Michael Spreng zu einem besonderen Chefredakteur gemacht hat:
Er konnte anderen ihre Erfolge gönnen. Er hat immer die Kolleginnen und Kollegen mit Zuckerbrot und Peitsche zu Höchstleistungen angetrieben, sie manchmal richtig gequält („Da müssen wir nochmal nachrasieren“, „Das reicht mir nicht!“, „Das können Sie besser!“) – und wenn sie dann eine wirklich tolle, eine sensationelle oder Aufsehen erregende Geschichte geschrieben hatten, dann feierte er nicht sich selbst, sondern die Autorin oder den Autoren. Auch das unterschied ihn angenehm von vielen, vielen, vielen. Wie alle Journalisten war auch er nicht frei von Eitelkeiten. Aber er hat immer – auch öffentlich – anerkannt, wer gerade die Arbeit gemacht hat.
Michael Spreng verbrachte in den letzten Jahren die meiste Zeit auf Mallorca mit seiner Frau, die er über Jahrzehnte über alles in der Welt geliebt hat (auch das ist ja heute eher selten). Wir hatten immer wieder mal Kontakt, haben uns ein, zwei Mal in Berlin getroffen. Ich hatte keine Ahnung von seiner Erkrankung. Erst in der vergangenen Woche, acht Tage vor seinem Tod, schrieb er mir in einer E-Mail beinahe nebenbei, er sei „gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe der Zeit, aber das wird schon wieder.“ Ich Dummkopf habe überhaupt nicht begriffen, dass das ein Alarmsignal war – wohl weil ich es gar nicht begreifen wollte.
Denn so einer wie Spreng ist doch eigentlich unsterblich.