„Exklusiv“: Fake News vom „Spiegel“

Fake News und wirre Geschichten werden nicht nur von finsteren Mächten in den so genannten „sozialen“ Netzwerken verbreitet. Auch der „Spiegel“ ist sich nicht zu schade dafür, Filterblasen zu bedienen, die Wut auf Politiker, den Staat und „die oben“ schüren. „Merkel und Maas befördern enge Vertraute“, meldete der „Spiegel“. Eine Falschmeldung. Zumindest, was die Bundeskanzlerin betrifft.

Gleich zwei Autoren zeichnen für diese Nachricht verantwortlich und rühmen sich einer Rechercheleistung, die sie nicht erbracht haben. Irgendjemand hat ihnen schlicht die Liste zugespielt, die den Unterlagen einer jeden Kabinettssitzung als letzte beiliegt: Die Übersicht der Personalien. Darin wird aufgelistet, wer im  höheren Beamten-Dienst was wird. Das ist so vorgeschrieben. Diese Liste gibt es jede Woche.

Mit dem Empfang dieser Liste erschöpfen sich dann aber auch die „Recherchen“ der Spiegel-Autoren Matthias Gebauer und Christoph Schult. Der Rest ist Kopf-Kino von Journalisten, die gern ihre eigenen und die Klischees ihrer Leser bedienen. „Ein knappes Jahr vor der Bundestagswahl werden zahlreiche hochrangige Beamte befördert“, schreiben sie. In dem Artikel ist dann die Rede von drei (!) Beamten. Sehr zahlreich.

Die „Aufsteiger“, so der Spiegel, sind Jan Hecker, der außenpolitische Berater der Bundeskanzlerin. Er soll deutscher Botschafter in Peking werden.

Der zweite „Aufsteiger“ sei Merkels langjähriger Vertrauter Bernhard Kotsch, der Botschafter am Heiligen Stuhl in Rom werden soll. Heute ist er Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt.

Einmal ganz abgesehen davon, ob es wirklich erstrebenswert ist, mit der Familie von Berlin nach Peking umzuziehen, stellt sich die Frage: Wo ist hier eigentlich die „Beförderung“?

Die gibt es nämlich nicht: Sowohl Jan Hecker wie auch Bernhard Kotsch sind derzeit in die Beamten-Besoldungsgruppe B9 eingestuft. Sie werden – entgegen der Behauptung des „Spiegel“ – keineswegs befördert. Sie werden auch nicht „bedacht“, wie der „Spiegel“ schreibt, und auch nicht „versorgt“. Sie sind schon versorgt, wenn man es so sehen will.

Als deutscher Botschafter verdient man nämlich kein bisschen mehr als das, was sie jetzt schon verdienen: Bei B9 ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Es gibt sogar Botschafter, die in die deutlich niedrigere Beamten-Besoldungsgruppe A15 eingestuft sind.

Also: Eine „Beförderung“ gibt es nicht – was auch die beiden erfahrenen „Spiegel“-Schreiber in fünf (oder zehn) Minuten hätten recherchieren können. Wenn Sie es denn gewollt hätten. Was man bei der Bundesregierung verdient (und was nicht), ist alles öffentlich.

Aber ist doch so schön, mal wieder Beamte in die Pfanne zu hauen: Ein paar Jahre bei Merkel abreißen und dann mal so richtig für nichts absahnen, das ist der gewünschte Eindruck. Der Leser dankt: „So funktioniert doch der ganze Beamtenapparat“, kommentiert etwa „Spiegel“-Leser „derjuergle“ und ergänzt: „1-2 Jahre vor der Pension schnell noch eine Beförderung damit die Pension auch zum Leben reicht.“ Mission Regierungs- und Beamten-Bashing erfüllt. Und damit es auch ordentlich Verbreitung findet, muss die Falschmeldung natürlich auch von einem der Autoren auf Twitter in die Welt geblasen werden. Als „Exklusiv“-Meldung.

Wieder einmal stellt sich die Frage aus dem legendären Werbesport der Fastfood-Kette „Wendy’s“ von 1984: „Where’s the beef?“

Werbespot für „Wendy’s“ vom Januar 1984, der Clara Peller (rechts) weltberühmt machte

P.S.: Ich kenne sowohl Jan Hecker wie auch Bernhard Kotsch persönlich, habe jahrelang mit ihnen zusammengearbeitet. Und ich weiß auch, wie in einer Redaktion gearbeitet wird. Daher bin ich mir ganz sicher: sie arbeiten mehr als die beiden Herren vom „Spiegel“, deutlich mehr. Und würden sich wohl auch über ein 13. Montagsgehalt freuen. Oder Urlaubsgeld. Oder eine Mitarbeiterbeteiligung. Sie haben ein spannendes Leben, zahlen dafür aber auch einen hohen persönlichen Preis: So gut wie nie zuhause, und wenn doch, wird da weitergearbeitet.

5 Antworten

  1. Sehr gut, lieber Georg, das Du das mal so klar beschreibst!
    Es könnte ja so einfach sein, wenn man nicht nach dem Motto arbeitete: „Faktenwissen macht politikunfähig“ oder: „Recherche versaut jede gute Geschichte.“
    LG dn

  2. Sehr guter Beitrag. Fehlt nur noch die Gegenüberstellung der B9- mit den Spiegel-Gehältern. Aber die sind sicher nicht öffentlich. Da kämen einem wahrscheinlich noch mehr Tränen über das Geschreibsel aus Hamburg.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Newsletter

Newsletter abonnieren und keinen Beitrag mehr verpassen!

Newsletter

Keine Beiträge mehr verpassen!

Sie können sich jederzeit abmelden, indem Sie auf den Link in der Fußzeile der E-Mails klicken.