Die „Bild“-Zeitung hat ein neues Geschäftsmodell entdeckt: Weil die Leser nicht mehr soviel Zeitungen kaufen und die online-Abonnements zwar mehr werden, aber weniger einbringen, werden die verbliebenen Leser jetzt einfach abgezockt. „Bild“ ist mit seiner neuen Marke „BildBet“ in das Milliarden-Geschäft der Sportwetten eingestiegen. In der Hoffnung auf den großen Reibach sind in der Redaktion alle Hemmungen gefallen. Gnadenlos werden die Leser unter Vortäuschung von Journalismus – strategisch durchorchestriert – mit Werbung für das neue Geschäft zugeschüttet.
„Bild“ beschäftigt für die als redaktionelle Berichterstattung getarnte Eigenwerbung sogar einen eigenen Redakteur.
Im Oktober 2019 schrieb „Bild“-Wett-Redakteur Daniel Schneider eine große Serie „Die Welt der Sportwetten“. Die durften aber nur Käufer der Papier-Zeitung lesen und die zahlenden „BildPlus“-Abonnenten.
Da gab es dann „Vier Tipps für Wett-Einsteiger“. Auch interessant: „Dieser Mann verdient mit Sport-Wetten 20.000 Euro im Monat“ erfuhren die staunenden „Bild“ Leser über einen Jan Maack, einen „gebürtigen Hamburger, der im Sommer auf Mallorca und ansonsten auf Zypern lebt“. Was für ein herrliches Leben führt doch dieser Mann, der seit 14 Jahren wettet. Erst verlustreich, dann aber total erfolgreich. So erfolgreich, dass er „vor vier Jahren“ damit begann, „seine Tipps zu verkaufen – als Quotenwilly!“. Dazu „In 5 Schritten zum Wett-Profi“, „Wett-Regeln für Stars und Amateure“, „Tricks und Tabus des Profis“. Ja, und auch eine Folge „Spielsucht? Hier bekommen Sie Hilfe“.
Im Januar 2020 startete Wett-Schreiber Daniel Schneider die große „Bild Wett-Schule“. Als zahlender Abonnent erfuhr der „Bild“-Leser da z.B., was das „Zauberwort der Wett-Profis“ ist: „Value“. Aha. Und „das Wichtigste“ für Sportwetten-Anfänger: „Wie Money-Management den Bankrott verhindert“
Nach der tollen Serie enthüllte „Bild“ dann am 18. Januar 2020: „Staat plant totale Sportwetten-Kontrolle!“ und beklagt „Einsatzlimit!“, „Wettverbote!“ und „Werbe-Sperren!“.
Ok, eine Werbe-Sperre kann man natürlich elegant umgehen, wenn man die Werbung als redaktionellen Beitrag an zahlende Kunden verkauft.
Die Leser der „Bild-Wettschule“ wussten auch nicht, dass während sie noch begeistert bei „Bild“ das Wetten lernten, am 9. und 16. Januar im britischen Überseegebiet Gibraltar die Gründungsunterlagen (Satzung, Gründungsurkunde, Antrag auf Eintragung, Angaben zu den Vorständen, Managern und Sekretären) für eine neue Sportwetten-Firma „BV (Germany) Limited“ eingereicht wurden, die dann unter der Firmennummer 119401 eingetragen wurde. Gibraltar ist ein Steuerparadies. Wer dort registriert ist und seine Umsätze im Ausland macht, zahlt dort keine Einkommensteuer, keine Kapitalertragssteuer, keine Vermögenssteuer, keine Umsatz- oder Mehrwertsteuer.
Die „BV (Germany) Limited“ vermarktet seit einigen Tagen die Sportwetten unter dem schönen Namen „BildBet“. „Bild“ arbeitet bei seinem Wettangebot mit „BetVictor“ zusammen, einem der ältesten Sportwetten-Anbieter (gegründet 1946 von William Chandler). „BetVictor“ sitzt in … richtig: Gibraltar. „BildBet“ hat seinen offiziellen Geschäftssitz laut Impressum aber auf Malta. Vermutlich, damit man in Gibraltar keine Steuer zahlen muss. Und es in der EU leichter hat.
Ohne irgendeinen Hinweis darauf, dass „Bild“ hier sein eigenes Geschäft befeuert, wird redaktionell weiter berichtet. Jede Woche darf „Deutschlands Wett-Opa“ Dirk Paulsen seine Tipps für Bundesliga-Spiele geben. Natürlich nur für zahlende „Bild“-Kunden – die dann hoffentlich ihr Spielgeld bei „BildBet“ einsetzen.
Immerhin ist „Bild“ so ehrlich und zieht am Ende der „Wett-Opa“-Tipps stets Bilanz. Die sah am 11. Dezember so aus: Wer auf seine bisher gespielten Wetten 50 Euro wie der „Wett-Opa“ gesetzt hat, machte 33,50 Euro Verlust.
Und hätte man diese Wetten bei „BildBet“ gespielt, wäre das ein super Geschäft für „Bild“: Erst zahlt der Leser für seine Zeitung oder sein „BildPlus“-Abonnement, und versenkt dann noch 33,50 in der „Bild“-Kasse.
„Bild“-Leser können bei „BildBet“ auf so ziemlich alles wetten: Auf Spiele der spanischen Fußball-Liga (z.B. Valladolid vs. Osasuna), der amerikanischen Football-League (z.B. Minnesota Vikings vs. Tampa Bay Buccaneers) genauso wie auf Basketball in Russland (z.B. Kazanochka Kazan vs. Vologda Chevakata). Da kennt sich der „Bild“-Leser sicher gut aus.
Wie ein guter Dealer beugt BildBet Enttäuschungen bei Neu-Spielern vor: Wer seine erste Wette verloren hat, darf für 20 Euro gratis weiter wetten. „Zweite Chance“.
Was das alles nun mit Journalismus zu tun hat? Nichts. In der Zeitung und bei „Bild“ online sieht es aus wie Journalismus, wird als bezahlpflichtiger redaktioneller Text veröffentlicht. In Wahrheit werden die Leser abgezockt.
Falls „BildBet“ gut läuft, hätte ich noch ein paar Geschäftsideen, die man mal durchrechnen könnte: Wie wäre es denn mal mit „BILDPorn“? Oder „BILDKoks“? Oder „BILDNutten“?
2 Antworten
Ganz starker Artikel. Mit extrem viel Hintergrundwissen recherchiert und niedergeschrieben. Sollte in jeder Schule gezeigt werden.
Frage mich gerade womit sie da eigentlich ein Problem haben. Dann sollten sie mal jeden Supermarkt angehen der Alkohol verkauft, jede Zeitung in der Werbung für Alkohol gedruckt ist. Ich glaub Süssigkeiten sind auch ungesund. Wie hoch ist eigentlich die Wahrscheinlichkeit beim Lotto ? Wieviel Geld wird dafür jährlich ausgegeben ?
Sportwetten sind aber natürlich extrem böse. Und wo ist das Problem wenn ich auf Kazan – Minsk wette ? Ist doch klares under spiel …
… ach mist war ja gestern…
und over… 5 Euro verloren… Schade.
Seitdem aber auch ganze Packung kippen geraucht, Schachtel Bier gesoffen, Lottoschein abgegeben und sechs Tüten Chips verdrückt. Was war davon jetzt wohl am schlimmsten für mich ??
Danke für diesen herzerfrischenden Artikel.
Es geht vor allem darum, dass Bild Werbung für Sportwetten, als redaktionellen Text verkauft.
„In Deutschland gilt das Trennungsgebot: Werbung und redaktioneller Text müssen deutlich und unübersehbar voneinander getrennt werden. Um redaktionelle Inhalte handelt es sich, wenn der Beitrag seiner Gestaltung nach als objektive neutrale Berichterstattung durch ein Medienunternehemen (z.B. Printmedien, Hörfunk, TV, Internet etc.) erscheint. Eine getarnte redaktionelle Werbung liegt vor, wenn der redaktionelle Inhalt, beispielsweise durch eine lobende Berichterstattung, Werbung für ein Unternehmen oder seine Waren oder Dienstleistungen enthält und so der Verkaufsförderung dient.“
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