Kanzlerkandidat: Der Sieger der Herzen ist immer der Verlierer

Nach zwei aufregenden Wochen Machtkampf ist Armin Laschet nun Kanzlerkandidat der Union, und aus meiner Sicht ist das auch gut so. Armin Laschet hat gewonnen, Markus Söder hat verloren. Und wenn CSU-Generalsekretär Markus Blume nun Söder zum „Kandidaten der Herzen“ erklärt hat, dann räumt er mit warmen Worten die Niederlage ein. Denn die „Sieger der Herzen“ sind bei allen sportlichen Wettbewerben immer die Verlierer. Sie sind vielleicht manchen sympathischer, sie spielen vielleicht schöner – aber sie haben verloren. Sie sind nicht Sieger, sondern Verlierer. Markus Söder muss uns nicht leid tun. Ihm geht’s prima. Und ich bin überzeugt: Mit Markus Söder als Kandidat stünden die Unionsparteien kaum besser da, auch wenn sich das zur Zeit in den Meinungsumfragen so gar nicht widerspiegelt. Warum ich das so sehe – dazu ein paar Bemerkungen.

Markus Söder als Kandidat hätte der großen Schwester CDU den letzten Rest Selbstbewusstsein genommen. Wie schon 1998 nach 16 Jahren Helmut Kohl steht die CDU im Herbst 2021 nach 16 Jahren Angela Merkel vor dem Weggang einer großen Führungsfigur, auf die sich über die langen Jahre alles ausgerichtet hat wie Eisenspäne auf einen Magneten (wir erinnern uns an die ersten Physik-Stunden in der Schule). Natürlich reißt das eine große Lücke auf, und natürlich kann der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet diese Lücke nicht sofort füllen. Denn die Anziehungskraft muss erst wachsen. Das wäre übrigens bei den unterlegenen Vorsitz-Kandidaten Norbert Röttgen und Friedrich Merz kein bisschen anders. 

Laschet muss eine Perspektive für die Zeit nach Merkel entwickeln

Die Aufgabe von Armin Laschet ist nun kompliziert: er muss vor der Wahl erst die CDU und dann die Wähler hinter sich vereinen – die neue Zeitrechnung „nach Merkel“ beginnt aber erst nach der Wahl. Angela Merkel ist eben noch so lange da, bis eine neue Regierung in Amt kommt. Keine leichte Aufgabe für Laschet, aber es ist ihm zuzutrauen: Mit Merkel, die noch regiert, eine Perspektive für die Zeit nach Merkel zu entwickeln, ohne dass es zu Beschädigungen kommt. Das geht, und ich bin mir einigermaßen sicher: Angela Merkel wird das auch ermöglichen.

Markus Söder hätte da weniger Probleme gehabt: Er hätte nicht so viel Rücksicht auf die Befindlichkeiten der CDU nehmen müssen. Er wollte ja nur Kanzler werden, nicht CDU-Chef. 

Womit wir beim Binnenverhältnis von CDU und CSU wären. Kurz gesagt: Ein Kanzlerkandidat Markus Söder hätte dazu geführt, dass sich in der gemeinsamen CDU/CSU-Bundestagsfraktion das Klima ganz gewaltig verschlechtert hätte. 

Das Franz Josef Strauß-Gen der CSU

Das liegt an der CSU, bei der irgendwann, wahrscheinlich in den frühen 1960er Jahren, das Franz Josef Strauß-Gen dauerhaft in die DNA der Partei eingedrungen ist. Eine winzige Veränderung mit großer Wirkung. CSU-Politiker sind oft tolle Leute mit tollen Ideen und bewundernswerter Tatkraft. So habe ich es selbst erlebt. Tief in der (bayerischen) Gesellschaft verwurzelt, sie hören das Gras wachsen. Aber dieses FJS-Gen führt dazu, dass sich CSU-Politiker immer etwas wichtiger nehmen als sie sind. Dass sich hinter jedem Vorschlag noch ein kleiner Haken, ein verborgenes Ziel verbirgt, neudeutsch: eine „hidden agenda“. Das nervt. Das zermürbt.

In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion würde ein Kanzlerkandidat der CSU dazu führen, dass sich Hofschranzen aufblasen, Wichtigtuer plötzlich tatsächlich wichtig werden. Der Markus will dies, der Markus will das, das wird dem Markus aber gar nicht gefallen. Und das wäre nicht nur vor der Wahl so, sondern nach einer vielleicht gewonnenen Wahl mit einem Kanzler Söder noch mehr. Auf Jahre. Möglicherweise mehrere Legislaturperioden würde der Schwanz mit dem Hund wackeln – und das würde die CDU zerstören.

Ein Indikator für den momentan fragilen Zustand der CDU ist übrigens auch das Abstimmungsergebnis in der entscheidenden nächtlichen Vorstandssitzung: 31 für Laschet, neun für Söder und sechs Enthaltungen. Dass sich neun Vorstandsmitglieder gegen ihren eigenen Vorsitzenden stellen, den sie ein paar Wochen ins Amt gewählt haben, ist schon empörend.

Viel erbärmlicher aber sind die sechs Enthaltungen. Was ist das für ein Amtsverständnis? Wenn ich mich in einen Vorstand wählen lasse, dann ja wohl vor allem deshalb, weil ich an Entscheidungen beteiligt sein will. Sich bei so einer wichtigen Entscheidung zu enthalten, eben nicht zu entscheiden, ist wirklich jämmerlich. Ich würde denjenigen, die sich so verhalten haben dringend empfehlen, still und leise wegzutreten. Wer sich nicht entscheiden kann, hat in einem Entscheidungsgremium nichts verloren.

Vor diesen Kandidaten müssen wir uns nicht fürchten

Fünf Monate vor der Bundestagswahl steht nun fest: Armin Laschet, Annalena Baerbock oder Olaf Scholz – eine(r) von ihnen wird die nächste Bundeskanzlerin oder der nächste Bundeskanzler der Bundesrepublik sein. Wie es heute aussieht, wird es ein enges Rennen zwischen Baerbock und Laschet. Olaf Scholz scheint der Außenseiter zu sein.

Es wird spannend wie lange nicht mehr. Und wir können eigentlich sehr dankbar sein über dieses Wettbewerber-Feld. Weder Armin Laschet noch Olaf Scholz und wohl auch nicht Annalena Baerbock werden unser Land zugrunde richten. Egal, wer von ihnen Bundeskanzler(in) wird: Wir müssen nicht auswandern. 

Was haben wir für ein Glück, dass es ganz rechts keine einzige charismatische Führungsfigur gibt wie etwa einst Jörg Haider in Österreich oder Marine Le Pen in Frankreich. Man stelle sich nur einen Moment vor, so ein Typ wie beispielsweise Sebastian Kurz wäre Spitzenkandidat der AfD. Wir wollen es uns lieber nicht vorstellen. Dann müssten wir uns ernsthaft Sorgen machen. 

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