Wenn Journalisten Politik machen wollen, geht das meistens schief. Zuletzt durfte – mal wieder – die „Bild“-Zeitung diese Erfahrung machen. „Bild“ versuchte am Dienstag, Armin Laschet (CDU), dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, eine „Masken-Affäre“ anzuhängen und scheiterte dabei so jämmerlich, dass sie sich in der Not entschloss, das Dementi am lautesten von allen herauszuposaunen. So macht man aus keinem Knaller gleich zwei Knaller. Das ist ganz alte Schule, kenne ich.
Fast die ganze Seite 2 räumte „Bild“ am 1. Dezember 2020 frei für den vermeintlichen Knaller des Tages: „Geschmäckle oder großes Glück? Laschet-Sohn fädelte Masken-Deal für NRW ein“.
Erzählt wird die Geschichte, dass Laschets Sohn Johannes („Joe“), der als „Influencer“ und Blogger u.a. für den Hemden-Hersteller „van Laack“ Werbung macht, einen Kontakt zwischen Vater Laschet und „van Laack“-Inhaber Christian von Daniels hergestellt hat. Und wenig später erhielt „van Laack“ vom Land Nordrhein-Westfalen Aufträge in einem Volumen von 38,5 Millionen Euro über die Lieferung von Corona-Masken und Arztkitteln.
Das ist schon die ganze Geschichte – aber „Bild“ macht mit geheimnisvoll eingestreuten Schlüsselwörtern (neudeutsch: „Buzzwords“) daraus eine investigativ-konspirativ klingende Story, die irgendwie nach Sumpf und Korruption riecht:
„Hat der Sohn von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (59, CDU) seinem Vater einen Geschäftspartner vermittelt, der jetzt mit Steuergeldern von der Corona-Krise profitiert?“ steigt „Bild“ gleich mal ein. Man wird ja mal fragen dürfen!
Eine Frage, eine einzige Buzzword-Kette: Sohn-Politiker-Geschäftspartner-vermittelt-Steuergelder-profitiert.
„Papa Armin gibt offen zu: In Modefragen lässt er sich vom Sohnemann beraten. Wirklich nur in Modefragen? Oder geht die Beratung in höchstsensible Bereiche der Regierungsarbeit?“
Buzzword-Kette: Wirklich?-nur?-höchstsensibel!
So bastelt man sich eine „Masken-Affäre“.
„Bild“ hat übrigens dabei gar nichts enthüllt. Es war die „Rheinische Post“, in der „van Laack“-Chef Christian von Daniels die Geschichte freimütig erzählt hat – weil er auch nicht den Hauch des Anrüchigen dabei sieht: Als im März deutschlandweit keine Corona-Masken und Arztkittel verfügbar waren, nicht ein Stück – da hat er Johannes Laschet gesagt: Wenn das Land Hilfe braucht, kannst Du Deinem Vater meine Nummer geben. „Zwei Tage später saßen seine Mitarbeiter bei uns im Konferenzraum und haben sich unsere Masken und Kittel angeguckt“, erzählt von Daniels.
„Bild“ fällt dazu natürlich eine verschwörerische Frage ein: „Eine glückliche Fügung zu Beginn der Corona-Krise? Oder Vetternwirtschaft in den höchsten Kreisen?“ Wer weiß, wer weiß …
Zum Glück für „Bild“ hat auch die nordrhein-westfälische SPD die Geschichte in der „Rheinischen Post“ gelesen und eine gemeine „Kleine Anfrage“ zu Papier gebracht. Die SPD witterte „Influencer-Marketing in der Staatskanzlei“ und forderte: „Armin Laschet muss den Sachverhalt lückenlos aufklären!“ Lückenlos!
Das hat Armin Laschet tags darauf auch gemacht – und war dabei sehr emotional. Er erinnerte daran, in welcher Not das Land zu Beginn der Corona-Krise war: Keine Masken und Kittel nirgendwo. China konnte nicht liefern, Politiker riefen deutsche Firmen auf, ihre Produktion auf Masken und Kittel umzustellen: „Wir haben uns die Hände wund telefoniert, gedrängt und gebettelt.“ Und, natürlich, hat sein Sohn nicht davon profitiert. Laschet wurde sehr emotional, aber beeindruckte offenbar auch „Bild“. Die Redaktion stellte das Video von Laschets Gefühlsausbruch sofort auf seine neue Fernseh-Versuchsplattform „BILD Live“. Das hat wohl nicht schlecht „geklickt“.
Und weil das Dementi so gut lief, durfte auch gleich „van Laack“-Eigentümer Christian von Daniels bei „BILD Live“ über „Bild“ herfallen. „Bild“, so von Daniels, verbreite „Unsinn, das geht auf keine Kuhhaut“, „da kriege ich, auf Deutsch gesagt, einen Hals“. Von Daniels bei „BILD Live“ über „Bild“: „Johannes Laschet bekommt ein Honorar in der Größenordnung von 500 Euro im Monat. Das ist sicherlich nicht die Provision, von denen einige sensationslustige Berichterstatter, die von nichts eine Ahnung haben, geträumt haben. Die haben sich da irgendwelche Millionen vorgestellt. Das ist einfach nur Bullshit.“ Und er fasst das Problem des Frühjahrs so zusammen: „Das größte Problem in der Pandemie war, dass es gar keine Kittel gab. Das Problem in dieser Phase war nicht, einen Kittel zu verkaufen, sondern einen Kittel zu beschaffen.“
Da sprach von Daniels nebenbei einen weitere falschen Eindruck an, den „Bild“ erweckt hatte: Bei dem Geschäft im Frühjahr hat „van Laack“ dem Land NRW keine einzige Maske verkauft. Es ging um Kittel für die Ärzte. Auch die waren damals nämlich weltweit nicht lieferbar, wurden aber dringend benötigt.
Das alles hätte „Bild“ natürlich auch vor der Veröffentlichung der Laschet-pfuiuiui-Story recherchieren können. Einfach mal nachfragen. Aber dann wäre die Geschichte ja tot gewesen. So, ohne Recherche, hatte „Bild“ dann gleich mehrere Knaller: Den, der gar keiner war, und die schönen knalligen Dementis.
Hauptsache, es klickt, klickt, klickt.
Die für „Bild“ schöne Nebensache: Endlich konnten sie sich mal wieder einmischen in den CDU-internen Kampf um den CDU-Vorsitz. Seit Friedrich Merz am 29. Oktober 2019 nur wenige Minuten nach Angela Merkels angekündigtem Rückzug – natürlich „exklusiv bei BILD“ – seine Kandidatur angekündigt hat, steht „Bild“ fest an seiner Seite.
„Bild“ will, dass Merz CDU-Vorsitzender und Kanzlerkandidat 2021 wird. Über seine Gegner wird gern schlecht berichtet. Erst über Annegret Kramp-Karrenbauer. Nach deren Sieg über Merz jetzt über Armin Laschet.
Deshalb schließt auch der Nicht-Knaller über das vermeintliche Masken-Gate mit dem bedeutungsvoll Unheil verkündenden Satz: „Nach den Regeln des Landtags hat Laschet vier Wochen Zeit, um auf die SPD-Anfrage zu antworten. Kaum vorstellbar, dass der Mann, der im Januar neuer CDU-Chef werden möchte, sich so lange Zeit lässt, um den Vorgang zu kommentieren.“ Nein, das ist wirklich kaum vorstellbar.
Und es gilt die alte Weisheit, wie man Fehler aufhübscht: It’s not a bug, it’s a feature!
Eine Antwort
Lieber Herr Streiter,
Danke für Ihre super Klarstellung!
Super!
In der Tat waren die Kittel im März/April ungefähr so knapp wie heute die Impfstoffe…
Das Ministerium MAGS hatte über 700 Anbieter am Start, aber niemand konnte in der geforderten Geschwindigkeit und Qualität die Menge von 10 Mio Stück bedienen. Das gilt auch bis heute, denn die nicht berücksichtigten Bieter hätten sich ja zwischenzeitg gemeldet…so wie nunmehr einige kleine Masken-Bieter mit kleinen Mengen zu überhöhten Preisen, die im Frühjahr bereits abgewiesen worden waren.
Schade, dass niemand von den Kollegen der Presse einmal herausstellt, dass es eine Mega Leistung von van Laack war, diesen Auftrag zu bedienen, und inzwischen über 130 Mio. textile Masken distribuiert zu haben. Davon übrigens ‚nur‘ ca. 4% an über 60 Behörden in 4 Bundesländern.
Und im Ergebnis haben wir keine Mitarbeiter entlassen, keine staatlichen Unterstützungen gebraucht, kein KfW, etc.
Ich finde, da haben wir doch auch etwas Gutes getan…