Ich kenne den Geheimplan! DAS passiert, wenn Queen Elizabeth II. stirbt: Bei „Bild“ gibt’s Champagner! Glauben Sie nicht? Stimmt aber: Heute vor drei Wochen hat der neue „Bild“-Chef Johannes Boie (38) in einer internen E-Mail dazu aufgerufen, zum Tod der Queen eine schöne Schlagzeile zu liefern.
Während in Großbritannien die Feiern zum 70. Thronjubiläum der Queen (96) auf Hochtouren liefen, dachte „Bild“-Chef Johannes Boie schon weiter. Am 19. Mai verschickte er eine E-Mail an den internen Mail-Verteiler „alle BILD“:
„Champagner gibt’s für die- oder denjenigen, der uns zu unserem eigenen 70. Geburtstag und/oder zum Tod der Queen DIE Zeile liefert, die dann gedruckt, gesendet, veröffentlicht wird. Wir freuen uns über kreative, kluge Vorschläge. Herzlicher Gruß Johannes“.
Als ich 1976 in den Beruf des Journalisten hineinschlidderte – eigentlich wollte ich ja (Rechts-) Anwalt der Unterdrückten werden -, roch es bei der Zeitungsproduktion noch nach Blei und Bier in der Setzerei.
Die ewig gültige Journalistenweisheit wurde uns schon ganz früh eingebläut: Only bad news are good news! Mord und Totschlag, Kriege, Tod, Verderben und Katastrophen sind das Beste, was einer Zeitung passieren kann. Dann kaufen die Leute Zeitungen wie verrückt. Und wollen immer mehr davon. Gute Nachrichten sind langweilig, schlechte Nachrichten gut für die Auflage (oder heute die Klickzahlen).
Dass Journalisten gelegentlich zynisch und abgebrüht sind oder werden, dürfen die Leser/innen natürlich nicht wissen. Wenn ein berühmter Schauspieler, ein Regierungschef, ein Papst oder eben eine Königin gebrechlich oder gar siech werden, soll die Kundschaft ihrer Lieblings-Redaktion ja schließlich glauben, wie besorgt sie ist.
In Wahrheit sind Berichte mit der Überschrift „Große Sorge um …“ eher Heuchelei und Einstimmung zum großen Finale – dem letzten Atemzug. Für das große Feuerwerk nach dem Tod sollte man vorbereitet sein: Es braucht seriöse Experten und halbseriöse „Experten“, wie ist der arme Mensch genau gestorben, wie und wo wird er beerdigt. Har er/sie noch etwas gesagt? Auflagensteigernd wirken sich natürlich auch kurzfristige Streitereien unter den Hinterbliebenen um die Beisetzung und später natürlich auch langwierige Erbstreitigkeiten aus.
Je größer das Medium – und „Bild“ ist das größte Medium des Kontinents – desto umfangreicher die Vorbereitung. Aber die Leser/innen sollten davon lieber gar nichts erfahren. Es ist, wie so oft, wie bei der Leberwurst: Sie soll schmecken, aber es ist besser, wenn keiner weiß, wie sie hergestellt wird. Man sollte keine schönen Illusionen leichtfertig zerstören.
Der junge Chefredakteur der „Bild“ muss da offensichtlich noch ein bisschen lernen. Eine E-Mail an „alle BILD“ erreicht schätzungsweise tausend Empfänger. Das würde ich nicht machen, denn auch wenn es drei Wochen dauert: Das kommt immer raus. Alles Schriftliche hat die unangenehme Eigenschaft, sich zu verselbständigen und dort wieder aufzutauchen, wo man es gar nicht möchte. Das sollte man als Chefredakteur einer Zeitung, die sich geradezu von Indiskretionen ernährt, eigentlich ganz genau wissen.
Irgendwie hat es auch Johannes Boie gedämmert, ein wenig. Nach seinem Gruß hat er noch ein Feigenblatt angehängt, das größer ist als die eigentliche Mail: „PS: Natürlich ist es traurig, dass wir über den Tod der Queen nachdenken müssen, aber wir sollten uns vorbereiten, damit wir uns angemessen vor dieser tief beeindruckenden Monarchin verneigen werden. Möge es noch viele, viele Jahre dauern, bis wir die Zeile veröffentlichen müssen!“
Da musste ich weinen. Echt!
Ja – und jetzt sind wir natürlich alle sehr gespannt, mit welcher Schlagzeile die „Bild“ am 24. Juni ihr 70-jähriges Bestehen feiert. Am 24. Juni 1952 hieß die Schlagzeile: „Grenze bei Helmstedt wird gesichert!“ Aus heutiger Sicht sage ich: Da geht noch was! Nicht nur wenn die Queen stirbt, gibt’s Champagner bei „Bild“.