So, wie Karl Lauterbach uns die Cannabis-Legalisierung unterjubeln will, geht es nicht. Er verkauft sie uns als Jugendschutz-Projekt. In Wahrheit geht es um den sorgenfreien Kick der gepflegten Partygesellschaft. Schöner Kiffen mit Lauterbach.
Am Montag (23. Januar 2023) war es wieder so weit: Nach „Markus Lanz“ (2. November 2022) trommelte der Bundesgesundheitsminister mal wieder für sein Projekt Cannabis-Legalisierung, diesmal bei „hart aber fair“. Das Mantra des Ministers: Es geht primär nicht um Kiff-Erleichterungen, sondern um den Jugendschutz, genauer: „Bestmöglichen Jugendschutz!“
Derzeitige Grundlage der Diskussion ist ein „Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken“, das vom Bundeskabinett am 26. Oktober 2022 beschlossen wurde. Und noch am gleichen Tag gab Lauterbach dem Projekt den netten Jugendschutz-Dreh: „Wir wollen eine Entkriminalisierung des Cannabis-Konsums erwirken, um damit einen besseren Kinder- und Jugendschutz, aber auch einen besseren Gesundheitsschutz zu erreichen.“
Party-Erleichterung wird als Jugendschutz-Programm verkauft
Was die Abschaffung der Strafverfolgung von erwachsenen Cannabis-Konsumenten mit einer Verbesserung des Kinder- und Jugendschutzes zu tun haben soll, erschließt sich aber nicht. Es hilft, über dieses Eckpunktepapier nicht nur in Talkshows zu quatschen – man sollte es einfach einmal lesen. Und da stellt sich dann heraus, dass das künftige Gesetz zwar Erwachsene schützen soll, Kinder und Jugendliche aber eher nicht.
In dem Papier heißt es auf Seite 5, Ziffer 9: „Für Minderjährige bleiben die bisher strafrechtlich bewehrten Verhaltensweisen, insbesondere Anbau, Erwerb und Besitz von Genusscannabis weiterhin verboten (verwaltungsrechtliches Verbot). Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und im Hinblick auf die gewünschte Entkriminalisierung werden jedoch Handlungen, die Erwachsenen gestattet werden, auch für Minderjährige nicht strafbewehrt.“
Das heißt: Erwachsene dürfen künftig straffrei Cannabis in staatlich lizensierten Geschäften kaufen und dann rauchen. Kinder und Jugendliche dürfen in diesen Läden zwar nicht einkaufen. Aber wenn sie doch irgendwie an das Cannabis gekommen sind (z.B. durch Hilfe des volljährigen Bruders), dann gibt es auch für die Kurzen keinen Ärger.
Fällt das allerdings auf oder zeigt es jemand an, dann können die Behörden – wie heute schon – „familiengerichtliche Maßnahmen gem. § 1666 BGB gegen die sorgeberechtigten Eltern“ einleiten. Darauf wird in dem Eckpunktepapier auf Seite 8 in Ziffer 21 noch einmal explizit hingewiesen und in Ziffer 22 versprochen:
Jugendämter sollen kiffende Jugendliche finden?
„Daneben werden auf der Grundlage von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG verbindliche Jugendschutzmaßnahmen unmittelbar gegenüber Minderjährigen eingeführt, wie beispielsweise die Teilnahme an Frühinterventions- und Präventionsprogrammen im Falle des für den Minderjährigen verbotenen Erwerbs oder Besitzes (als Ausgleich für den durch die Aufgabe der Strafbarkeit begründeten Wegfall des strafrechtlichen Instrumentariums bei Beibehaltung entsprechender Verbotsregelungen).“
Da darf man gespannt sein. Meine Prognose: Das wird nicht funktionieren. Wenn Jugendämter schon heute nicht bemerken, dass Eltern ihre Kinder misshandeln, werden sie wohl auch die kiffende Brut nicht sehen – wie auch?
Angekündigt werden auch „niedrigschwellige flächendeckende Frühinterventionsangebote zur Konsumreflektion für konsumierende Jugendliche, möglichst unter Einbeziehung der Erziehungsberechtigten“ sowie die Fortentwicklung der bereits heute angebotenen „zielgruppenspezifischen Beratungs- und Behandlungsangebote, insbesondere für jugendliche Cannabis-Konsumierende unter Einbezug der Erziehungsberechtigten“.
Das klingt zu schön um wahr zu sein – den kiffenden Jugendlichen treibt aber nur eine Frage um: Wie komme ich an mein Gras? Da haben sie bisher nur den Dealer auf der Straße, mit Lauterbachs Cannabis-Gesetz künftig dann noch eine zweite Quelle: Die elterlichen Party-Vorräte in der „geheimen“ Teedose neben dem Kaffee in der Küche. Oder eben den großen Bruder oder die große Schwester.
Warum erzählt uns Lauterbach, dass er hier ein großes durchdachtes Jugendschutz-Projekt angeleiert hat und nicht eine Party-Erleichterung für Erwachsene?
Legalisierung verstößt vermutlich gegen internationales und EU-Recht
Das ist einfach zu erklären: Er muss das alles der EU in Brüssel schmackhaft machen. Denn es spricht alles dafür, dass eine Cannabis-Legalisierung in Deutschland gegen internationales Recht und gegen EU-Recht verstößt. Die Stolpersteine heißen: „UN-Einheits-Übereinkommen über Suchtstoffe (1961), inkl. Protokoll zur Änderung des Einheits-Übereinkommens (1972), die so genannte “UN Single Convention”; „UN-Übereinkommen über psychotrope Stoffe (1971)“; „UN-Übereinkommen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (Suchtstoffübereinkommen, 1988)“.
Diesen Übereinkommen sind sowohl Deutschland wie auch die EU beigetreten und sie verbieten den Handel mit Cannabis zu allen Zwecken außer Forschung und Medizin. Man kann diese Abkommen für überholt halten, weil sie ja auch schon ziemlich alt sind. Man kann aus ihnen austreten und mit der Ausnahme Cannabis wieder eintreten. Das alles sind aber höchst komplexe und langwierige Verfahren.
Da scheint es Lauterbach einfacher, ein Drogen-Freigabeprogramm als ein neues Drogen-Präventionsprogramm zu verkaufen. Stramm behauptet ist halb bewiesen, und so doof wie Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer ist Lauterbach nicht: Er will auf keinen Fall in Brüssel scheitern und dann hier in Deutschland etwas zurücknehmen müssen. Lauterbach will sein Vorhaben haben erst dann weiterverfolgen, wenn Brüssel definitiv grünes Licht gegeben hat.
Null Cannabis-Tote?
Warum ich gegen die geplante Cannabis-Legalisierung in dieser Form bin, hat einen sehr traurigen Grund: Vor einem Jahr wurde mein jüngerer Sohn (27 Jahre alt) nach einem Suizid-Versuch von der Polizei in die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité in Berlin eingewiesen. Dort wurde eine Psychose nach jahrelangem Cannabis-Konsum diagnostiziert. Am dritten Tag ist er dort ausgerissen und hat seinen ursprünglichen Plan diesmal „erfolgreich“ umgesetzt. Der Tod eines Kindes ist das Schlimmste, was mal erleben kann. Er hat jetzt seine Ruhe – ich aber nicht.
Und deshalb verfolge ich sehr genau, wie über die Cannabis-Legalisierung diskutiert wird. Die Hanf-Lobby ist die am besten organisierte Lobby in Deutschland, und ich kenne (auch aus den jahrelangen Diskussionen mit meinem Sohn) jedes Argument. 70.000 Alkohol-Tote, Null Cannabis-Tote zum Beispiel. Allein ich habe da schon einen Toten zu bieten.
Ja, und auch ich finde, dass hunderttausende Verfahren gegen Cannabis-Konsumenten unser Justizsystem verstopfen und auch noch nie irgendetwas verbessert haben. Aber warum muss alles so kompliziert und vermeintlich perfekt geregelt werden. Kann man nicht ein bisschen kreativer sein? Die Sache so regeln wie den Abtreibungsparagraphen 218? Oder aus Cannabis-„Straftaten“ Ordnungswidrigkeiten machen? Oder die Strafverfolgung aussetzen wie die Wehrpflicht? Ich bin kein Jurist, ich bin kein Politiker – aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es so, wie es im „Eckpunktepapier“ steht, nicht funktionieren wird.
Wie will Lauterbach Schwarzmarkt-Preise unterbieten?
Lauterbach will staatlich lizensierte Verkaufsstellen für Cannabis aus staatlich lizensierter Produktion einrichten. Die Betreiber müssen einen „Sachkundenachweis“ erbringen, also eine Prüfung ablegen. Einen „Ansprechpartner für den Jugendschutz“ benennen. Das Cannabis soll in zwei Stärken angeboten werden: Einmal für Erwachsene über 21 Jahren, mit niedrigerem THC-Gehalt für 18- bis 21-jährige. Ein Riesen-Überwachungsaufwand für Produktion und Vertrieb. Und dann erklärt Lauterbach, das erlaubte Cannabis werde zu einem gegenüber dem Schwarzmarkt konkurrenzfähigen Preis angeboten? Niemals im Leben!
Ein Gramm Cannabis-Blüten kostet auf der Straße hier in Berlin etwa 10,- Euro. Ohne Kontrolle der Inhaltsstoffe, ohne Laden, ohne Nachweise. Und die Dealer und Oberdealer verdienen sich eine goldene Nase damit. Die haben noch Marge genug, um den staatlichen Preis zu unterbieten. Und mein Sohn z.B. hätte sich niemals auf den Weg zu einem der wenigen Cannabis-Läden mit staatlicher Lizenz auf den Weg gemacht, um dort seinen Ausweis vorzuzeigen und dann ein staatlich lizensiertes Produkt in staatlich regulierter Menge mit einem staatlich herunterregulierten THC-Gehalt zu kaufen. Er würde einfach um die Ecke gehen und sich für gleich viel oder sogar weniger Geld Cannabis kaufen, das mehr donnert. So schrecklich einfach ist das.
Es ist an der Zeit, dass Lauterbach die „Eckpunkte“ der Ampel-Koalition noch einmal sehr gründlich überdenkt. Und aufhört, uns zu erzählen, das Gesetz sei ein Jugendschutzprogramm. Ist es nicht. Bis jetzt ist es nur ein Party-Programm.
Das „Eckpunkte“-Papier kann hier direkt im pdf-Format heruntergeladen werden.
2 Antworten
Danke, Georg! Auf den Punkt gebracht.
Lieber Georg Streiter, vielen Dank für die klare und durchdachte Ansage!