Der russische Krieg in der Ukraine hält uns in Atem. Die deutsche und europäische Abhängigkeit von Russlands Energie-Lieferungen ist noch lange nicht gelöst. Die Inflation macht uns das Leben schwer. Corona gibt es auch noch. Doch Bundeskanzler Olaf Scholz findet offenbar, dass wir noch nicht genug Probleme haben. Obwohl alle Freunde und Partner dagegen sind – die USA, die EU und sechs Minister seiner eigenen Regierung – will er China eine Beteiligung am Hamburger Hafen ermöglichen. Seltsam störrisch zieht er Hamburger Lokalpolitik auf die Weltbühne und beschädigt nebenbei noch weiter die ohnehin schon angespannten deutsch-französischen Beziehungen.
Dass Russland und China seit Jahren versuchen, den Rest der Welt strategisch in wirtschaftliche Abhängigkeiten zu bringen, hat sich mittlerweile sogar bis zur SPD in Deutschland herumgesprochen. Spätestens seitdem Russland die Ukraine überfallen und Europa in den Krieg gestürzt hat, ist auch den meisten SPD-Kämpfern für die Nord Stream 2-Pipeline aufgegangen, dass Geschäfte mit autokratischen Regimes nicht nur eine Chance, sondern auch ein hohes Risiko sind. Besonders, wenn es um kritische Infrastrukturen geht.
Die Energieversorgung, das lernen wir gerade schmerzlich, gehört dazu. Auch die Verkehrswege. Zwei kleine Kabel an den richtigen Stellen durchtrennt können den Zugverkehr in halb Deutschland lahmlegen. Wir haben es Anfang Oktober erlebt und erkannt: Deutschland ist (zu) leicht angreifbar, nicht nur durch rustikales Sprengen von Pipeline-Röhren, sondern besonders auf dem Gebiet der Informationstechnologie.
Der Kanzler will China-Beteiligung am Hamburger Hafen durchdrücken
So ist es kein Wunder, dass in den USA, in der EU, beim Bundesnachrichtendienst, im Wirtschafts-, im Innen-, im Verteidigungs-, im Verkehrs-, im Finanzministerium und im Auswärtiges Amt die Alarmglocken klingeln, wenn die Freie und Hansestadt Hamburg China die Tür zum Innersten des Hamburger Hafens aufmachen will. Alle warnen davor, aber Bundeskanzler Olaf Scholz will die China-Beteiligung durchdrücken.
Scholz‘ seltsamer und einsamer Kampf geht wohl auf seinen früheren Job als Erster Bürgermeister in Hamburg zurück. Der Hamburger Hafen ist einer der wichtigsten Wirtschaftsbetriebe der Stadt, das „Tor zur Welt“, auf das man stolz ist. Hamburg ist Hafen und der Hafen ist Hamburg.
Als Scholz im Frühjahr 2018 in Berlin Bundesfinanzminister wurde, legte er seinem Nachfolger als Bürgermeister, Peter Tschentscher, ans Herz, alsbald die Hamburger Patenstadt Marseille zu besuchen. Das tat der auch, im Juli 2018. Dort traf er sich nicht nur seinen damaligen Amtskollegen Jean-Claude Gaudin, sondern unter vier Augen auch Rodolphe Saadé, Chef der drittgrößten Containerschiff-Reederei der Welt, der „CMA CGM“ mit Sitz in Marseille.
Eigentlich sollte Frankreich zum Zug kommen
20 Minuten sprachen Saadé und Tschentscher vertraulich miteinander. Danach ließ Tschentscher stolz den größten Erfolg seiner Reise in die Patenstadt verkünden: Die französische CMA CGM will sich an einem Terminal im Hamburger Hafen beteiligen. Ein toller Erfolg für Tschentscher und ein toller Erfolg für die deutsch-französischen Beziehungen. Denn traditionell ist den französischen Staatspräsidenten nichts wichtiger, als dass die Wirtschaft im Lande brummt. Deshalb sitzt im Aufsichtsrat der CMA CGM auch immer ein Vertreter des französischen Wirtschaftsministeriums.
Leider wurde es dann doch nichts mit der französischen Beteiligung. Tschentscher konnte sich in Hamburg nicht gegen seine SPD-Genossen und auch nicht bei der zu 68 Prozent in städtischem Besitz befindlichen „Hamburger Hafen und Logistik AG“ (HHLA) durchsetzen.
Drei Jahre und eine Corona-Krise später traten im vergangenen Jahr traten dann die Chinesen auf den Plan: Sie schlossen mit der HHLA einen Vertrag über eine 35%-Beteiligung am „Container-Terminal Tollerort“ im Hamburger Hafen. Dort hoffte man auf den Status als bevorzugter Kunde und Investitionen. Und war bereit, einen gleichberechtigten chinesischen Geschäftsführer zu akzeptieren. Einziges Problem: Der im September 2021 geschlossene Vertrag braucht eine „außenwirtschaftliche Genehmigung“ der Bundesregierung, denn der Hamburger Hafen gehört zu den Unternehmen, bei denen der Bund ein Vetorecht hat, wenn ausländische Investoren einsteigen wollen.
Der China-Deal ist eigentlich nicht genehmigungsfähig
Es gelten Bedingungen, die der Hamburger Vertrag mit den Chinesen nicht erfüllt. Es darf nicht zu einer Sperrminorität des ausländischen Investors kommen. Die geplante 35%-Beteiligung der Chinesen liegt deutlich darüber. Auch eine 25%-Beteiligung, die Bundeskanzler Olaf Scholz – wie man hört – zur Entspannung des Streits anbieten will, löst das Problem nicht. Ein mit den Deutschen gleichberechtigter chinesischer Geschäftsführer ist auch ein Ausschluss-Kriterium.
Auch der Nachweis der so genannten Reziprozität wird Scholz, Tschentscher und ihren HHLA-Strategen nicht gelingen: Vorgeschrieben ist, dass für europäische Investoren im Partnerland die gleichen Bedingungen gelten wie hier. Eine deutsche Beteiligung an einem chinesischen Hafen wäre aber völlig unmöglich. Die Chinesen lassen keinen Ausländer Einblick in ihre kritische Infrastruktur nehmen.
Vielleicht sind das auch die Gründe, warum die HHLA den fertigen Vertrag erst im Februar 2022, also erst fünf Monate nach Unterzeichnung, zur Genehmigung bei der Bundesregierung eingereicht hat, obwohl dazu nur ein Jahr Zeit ist. Eine Anhörung fand erst im September diesen Jahres statt, die Entscheidungsfrist wurde bis Ende Oktober verlängert. Das ist in einer Woche.
Alle Stellungnahmen aller Beteiligten fielen negativ aus. Alle halten das Hamburger China-Geschäft für nicht genehmigungsfähig. Alle fürchten, dass die Chinesen dadurch in die Lage versetzt werden, Zugang zu Informationen zu bekommen, den sie nicht bekommen sollten: Einblick in die IT-Systeme des Hamburger Hafens, in die in Europa einzigartige Anbindung des Schiffsverkehrs an das europäische Bahn-Netz, die gesamte logistische Steuerung des Hamburger Hafens. Und in die Kalkulation mit dem Ziel, womöglich die Preise zu drücken. Dennoch wurde ein vorbereiteter Ablehnungsbeschluss des Wirtschaftsministeriums, wie zu hören ist, vom Kanzleramt einfach nicht auf die Tagesordnung des Bundeskabinetts gesetzt. Basta!
Warum legt sich Scholz mit allen an – außer China?
Da fragt man sich: Was treibt Bundeskanzler Olaf Scholz an, sich mit sechs seiner Ministerien, mit seinem eigenen Geheimdienst, mit den USA, mit der EU und insbesondere mit Frankreich anzulegen wegen eines vergleichsweise kleinen Geschäfts in seiner Hamburger Heimat? Und das mitten in einer großen Krise, während eines Krieges, den Russland nach Europa getragen hat mit all seinen schrecklichen Auswirkungen. Da ist es schon jetzt problematisch, wenn Frankreichs Präsident Emanuel Macron die Deutschen davor warnt, sich zu isolieren. Der Scholz’sche 200-Milliarden-„Doppel-Wumms“ kommt in Europa nicht gut an, weil Deutschland sich exorbitante Hilfsleistungen leisten kann und die anderen nicht.
Die Stimmung ist angespannt – und da ist es vielleicht nicht klug, dem französischen Präsidenten zu signalisieren: Wir machen lieber Geschäfte mit China als mit Euch. Da sollte Scholz sich keinen Illusionen hingeben: Frankreich merkt sich so etwas wie das 2018 geplatzte Geschäft zwischen CMA CGM. Das mag kleinlich sein, streut aber schon immer zuverlässig Sand ins Getriebe am vielbeschworenen deutsch-französischen Europa-Motor. Man darf gespannt sein, ob Scholz es wirklich wagt, großen Krach mit allen seinen Freunden zu riskieren um bei seiner ersten China-Reise als Kanzler dem seit dem Pekinger Parteitag noch etwas unheimlicher gewordenen Konkurrenten Xi Jinping mit dem Hamburg-China-Vertrag eine kleine Freude zu bereiten.
Eine Antwort
approved. Everyone fears that this will enable the Chinese to gain access to information they shouldn’t have: insight into the IT systems of the Port of Hamburg, into the unique connection of shipping to the European railway network, the entire logistical management of the Port of Hamburg. And in the calculation with the aim of possibly pushing prices down