„turi2“ bei „Clubhouse“: Alles wird aufgezeichnet

Mediendienste leben von den Erfolgen und – sehr gern – von den Misserfolgen der anderen. Und schreiben viel über das, was gerade „angesagt“ ist. Im Moment ist das die neue Social-Media-App „Clubhouse“, in deren virtuellen Clubräumen sich auch jede Menge Journalisten tummeln. Ich auch. Und dabei ist mir aufgefallen, dass sich der Branchendienst „turi2“ in voller Absicht eine Grenzüberschreitung leistet: „turi2“ zeichnet seine „Clubhouse“-Gespräche auf und veröffentlicht sie. Und damit nicht genug: „turi2“ schreibt die Tonaufzeichnung ab und veröffentlicht sie auch als Textdokument. Jeder kann sekundengenau nachhören und nachlesen, wer wann was im „Clubhouse“ bei „turi2“ gesagt hat. Das ist nicht nur erstaunlich, sondern verstößt auch eindeutig gegen die AGB von „Clubhouse“. „turi2“ hat ein Problem – will es aber nicht sehen.

Bodo Ramelow, der Ministerpräsident von Thüringen, hat als einer der ersten „Promis“ erfahren, dass die „Clubhouse“-Plaudereien alles andere als vertraulich sind. Dass er die Bundeskanzlerin „Merkelchen“ nennt und in Ministerpräsidenten-Konferenzen  „Candy Crush“ auf seinem Handy spielt, weiß jetzt jeder. Bedanken kann er sich bei Johannes Boie, dem Chefredakteur der „Welt am Sonntag“, der es für seine „journalistische Pflicht“ hielt, über Ramelows Blödheit zu berichten.

Spätestens seitdem weiß jeder: Bei „Clubhouse“ ist man eben nicht unter sich. Man sollte sich genau überlegen, was man da sagt. Im oft sehr großen Publikum findet sich immer einer, der sich Notizen macht.

Aber der Wortlaut, was Bodo Ramelow genau in welchem Zusammenhang gesagt hat, blieb immer im Ungefähren. Vielleicht hätte er die „Candy-Crush-Affäre“ nicht überstanden, gäbe es ein genaues Wortprotokoll.

Das führt nun „turi2“ ein. Und verheimlicht es auch gar nicht. In den Ankündigungen zum neuen „turi2 Clubraum – der Kommunikationsraum der Branche“ steht klipp und klar: „Hinweis: Die Gespräche im turi2 Clubraum werden aufgezeichnet und auf allen Podcast-Plattformen, YouTube und turi2.de zugänglich gemacht – auch als transkribiertes Text-Dokument.“

Ankündigung des 2. Clubraums von „turi2“ bei „Clubhouse“
turi2-Ankündigung in der „Clubhouse“-App
Die Abschrift des ersten „turi2“-Clubraums – ein 16-seitiges PDF-Dokument

Das ist ein klarer Verstoß gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von „Clubhouse“, in denen steht: „You agree to not use the Service to: … 2. record any portion of a conversation without the express written consent of all of the speakers involved …”.

Auszug aus den AGB von „Clubhouse“ (Stand: 7.2.2021)

Das steht da zwar nur auf Englisch, und die Verbraucherschutzzentralen haben u.a. deswegen „Clubhouse“ eine Abmahnung zugeschickt.

Tweet der Verbraucherzentrale vom 27.1.2021

Aber selbst ich mit meinen eher miesen Englischkenntnissen habe das verstanden: „Sie stimmen zu, den Dienst nicht zu nutzen, um: … 2. einen Teil eines Gesprächs ohne die ausdrückliche schriftliche Zustimmung aller beteiligten Sprecher aufzuzeichnen.“

Das heißt: Alle Teilnehmer des „turi2“-Clubraums hätten der Aufzeichnung durch „turi2“ schriftlich zustimmen müssen – was natürlich nicht zu leisten ist.

Alle nochmal nachhören: Wer hat wann was bei „Clubhouse“ gesagt?

Ich finde interessant, dass ausgerechnet ein Mediendienst, der über Missgeschicke und Fehler bei Medien gern berichtet, so bewusst und eklatant gegen die Regeln verstößt. Daher habe ich Peter Turi und seinem Chefredakteur Markus Trantow am Donnerstag vergangener Woche ein paar Fragen per E-Mail gestellt:

1) Wie machen Sie das eigentlich technisch? Wie nehmen Sie eine „Clubhouse“-Runde auf? Mikrofon vors iPhone? Eine App?

2) Sie weisen ja deutlich darauf hin, dass das Gespräch aufgezeichnet wird. Was aber ist mit denen, die ihre Teilnahme gar nicht bewusst geplant haben, sondern sich z.B. erst 15 Minuten nach Gesprächsbeginn in Ihren Raum verirren? Ist denen bewusst, dass aufgezeichnet wird, was sie fragen oder sagen?

3) In den „Clubhouse“-AGBs wird die Aufzeichnung ja nur erlaubt, wenn alle schriftlich eingewilligt haben. Das stelle ich mir schwierig bis unmöglich vor. Hatten Sie eine schriftliche Zustimmung aller Teilnehmer? Testen Sie aus, ob und was geht? Hat „Clubhouse“ sich bei Ihnen beschwert? Oder hatten Sie vielleicht eine Vereinbarung mit „Clubhouse“, mal zu auszuprobieren, ob das funktioniert und akzeptiert wird?

Peter Turi hat sehr schnell geantwortet. Allerdings etwas knapp:

„Die meisten Antworten wird Ihnen Markus Trantow geben. Als Verleger kann ich nur sagen, dass wir keine vertragliche Vereinbarung mit der Firma hinter Clubhouse haben und dass wir im Zweifel einen Diskutanten, der irrtümlich glaubte, nicht aufgenommen zu werden, auf seine Bitte hin rausschneiden würden.

Sein Chefredakteur hatte offenbar keine Lust, zu antworten. Auch auf erneute Nachfrage meinerseits kam – nichts.

Altes Sprichwort: Schuster’s Kinder tragen die schlechtesten Schuhe.

P.S.: Gerade sehe ich, dass Peter Turi morgen, am 8. Februar 2021, seinen 60. Geburtstag feiert. Er feiert ab 19:00 Uhr im „turi2“-Clubraum. Wer ihm graturilieren möchte, kann es dort tun und sicher sein: Die Nachwelt wird es erfahren. Im Originalton und auch schriftlich. Ich wünsche ihm von Herzen alles Gute, Glück und Gesundheit. Und: Nehmen Sie’s nicht persönlich!

UPDATE Nr.1 8.2.2021: Heute früh hat Chefredakteur Markus Trantow dann doch geantwortet – allerdings nur auf die Frage, wie „turi2“ das Aufnehmen von „Clubhouse“-Gesprächen genau macht. Das führe ich hier nicht näher aus, um Nachahmer nicht zu animieren.

UPDATE Nr. 2 8.2.2021: „turi2“ berichtet heute über meine Kritik. Ziemlich souverän, außer vielleicht: Ich „wettere“ ja nun nicht gegen „turi2“. Aber das ist natürlich immer eine Frage der Befindlichkeit.

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