Corona Total-Lockdown: Der erste Krieg, der Leben rettet

Deutschland sollte den Kampf gegen Corona ernst nehmen wie einen Krieg. Plädoyer für einen 14-tägigen Total-Lockdown. Ziehen wir in den ersten Krieg, der Leben rettet und nicht vernichtet.

Ja, wir alle sind extrem gestresst von Corona. Wir sind mit den Nerven am Ende, wir wollen unser gewohntes Leben wiederhaben: Freunde treffen, ausgehen, herumbummeln, reisen, tanzen, Kunst genießen in Theater, Kino oder in der Galerie. Auf das alles haben wir seit über einem Jahr weitgehend verzichtet – die große Mehrheit der Vernünftigen jedenfalls – weil wir die Hoffnung hatten: Wenn wir uns vorübergehend einschränken, werden wir bald wieder frei sein und ohne Angst leben können wie wir wollen.

Es ist anders gekommen: Wir haben die Macht des Virus unterschätzt. Wir sind heute keinen Schritt weiter als vor einem Jahr. Wir haben uns von einem Lockdown zum nächsten gehangelt, unterbrochen von einigen lockeren Wochen im Sommer, in denen wir uns mit der Illusion gesonnt haben, dass das schon gut gehen wird.

Es ist nicht gutgegangen. Im Gegenteil: Die Lage ist heute weitaus schlechter als vor einem Jahr. Das Virus ist mutiert, und erst langsam dämmert es uns: Wir stehen nicht wieder bei null, wir stehen unter null, und alle Hoffnungen sind zerplatzt wie Seifenblasen. Wir sind in größerer Gefahr.

Man kann jetzt monatelang Schuldige suchen, nach mehr Urlaub, mehr „Öffnungen“, mehr Freiheit rufen und mal eben ein „Staatsversagen“ verkünden. So kann man mit den enttäuschten Hoffnungen Geld verdienen oder sich zu profilieren versuchen. Das bringt uns aber keinen einzigen Millimeter weiter.

Hören wir auf, die dritte Welle zu ignorieren!

Besser wäre es, wir würden unaufgeregten Leuten wie z.B. Karl Lauterbach und Christian Drosten und anderen zuhören:

Wir sollten aufhören, die dritte Corona-Welle, in der wir schon mittendrin stecken, einfach zu ignorieren. Wir sollten begreifen, dass wir es schon bald mit 40.000, 50.000 oder gar 100.000 täglichen Infektionen zu tun haben werden – mit allen daraus folgenden Konsequenzen: überfüllte Intensivstationen, sehr viel Leid und sehr viele Todesopfer.

Kurve der COVID-19-Fälle des Robert Koch-Instituts
Die Kurve der COVID-19-Fälle kann man nicht falsch interpretieren: Sie steigt und steigt, und das wird so bleiben, bis wir Corona den Krieg erklären – Quelle: Robert Koch-Institut

Wir müssen dringend aufhören, uns unseren enttäuschten Gefühlen hinzugeben, und stattdessen unser Gehirn einschalten. Wir müssen alle Interessen und Begehrlichkeiten zurückstellen und dem Virus den Krieg erklären.

Den ersten Krieg, der Leben rettet und nicht vernichtet.

Ziel ist die entscheidende Schwächung des Virus.

Wir haben nur zwei Waffen

Dafür stehen uns genau zwei Waffen zur Verfügung: Unterbindung von Kontakten und Impfung. Ohne Kontakt kann das Virus sich nicht verbreiten. Sollte es dennoch eingedrungen sein, scheitert es an der Impfung.

Das Corona-Virus unter dem Elektronenmikroskop
Das ist unser Feind: Das SARS-Coronavirus-2 unter dem Elektronenmikroskop
Quelle: Tobias Hoffmann, Michael Laue, Robert Koch-Institut (RKI), 2020

Wenn wir den Kampf gegen das Virus als Krieg begreifen und uns dafür innerlich wie äußerlich vorübergehend in einen echten Kriegszustand versetzen.

Zwei Wochen Stillstand, Impfen bis zum letzten Tropfen

Eine Strategie könnte wie folgt aussehen:

1.) Ganz Deutschland geht für 14 Tage ohne jede Ausnahme in Quarantäne. Kein Auto fährt, kein Zug, kein Bus, keine U-Bahn. Kein Flugzeug fliegt. Kein Schiff fährt. Alle (!) Geschäfte zu. Alle Betriebe zu. Keine Produktion, kein Konsum, keine Bewegung. Keiner geht raus, keiner kommt rein. Deutschland ist geschlossen. Auf den Straßen nur Polizei und/oder Bundeswehr, die aufpassen, dass nicht eingebrochen oder geplündert wird – und die Impfstoff ausliefern. Denn nach diesen 14 Tagen kommt:

2.) Impfen für jedermann. Ohne Reihenfolge, ohne örtliche und zeitliche Begrenzung, ohne Anmeldung. Wo Impfstoff ist, wird geimpft, wer will, wer da ist. So lange, bis der letzte Tropfen weg ist.

Sie glauben, das ist nicht machbar?

Doch – man muss es nur wollen. Um mal konkret zu werden: Idealerweise findet die Abschaltung vom 1. Mai (Samstag) bis 16. Mai (Sonntag) statt, ersatzweise vom 10.Mai (Montag) bis 24. Mai (Sonntag).

Falls erforderlich, können gesetzliche Grundlagen in der letzten Sitzungswoche des April (19.-23.4.) geschaffen werden. Zum Beispiel für den ausnahmsweisen Einsatz der Bundeswehr für diesen Zweck. Sollte die Zustimmung des Bundesrates erforderlich sein, könnte diese in der Sitzung am 7. Mai eingeholt werden.

Wenn man so etwas will (und ich denke: man sollte es wollen), dann geht das auch. Ich erinnere an die Euro-Krise, in der oft in der Nacht von Donnerstag auf Freitag in Brüssel Dinge beschlossen worden sind, die übers Wochenende in Gesetze übersetzt worden sind und in der darauffolgenden Woche vom Bundestag in einem beschleunigten Verfahren beschlossen worden sind.  Am 29. Juni 2012, einem Freitag, wurde der Euro-Rettungsschirm ESM sogar binnen weniger Stunden nacheinander in Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittel-Mehrheit beschlossen.

Damals ging es um eine existenziell finanzielle Krise. Heute geht es um mehr als nur Geld: es geht um Leben.

Ein echter Wellenbrecher

Ich bin überzeugt, dass nach vielen erfolglosen „Maßnahmen“ und wieder aufgehobenen Maßnahmen und erneut verhängten Maßnahmen eine derart drastisches Durchgreifen die Zustimmung einer sehr breiten Mehrheit in der Bevölkerung findet.

Nach allen gutgemeinten Versuchen, die letztlich gescheitert sind, liegen zwar die Nerven blank. Aber eine gemeinsame große Kraftanstrengung schaffen wir auch noch. Zumal mal dann sehr schnell sehen wird, ob sie funktioniert. Und nach allen Gesetzen der Logik wird sie funktionieren. Sie wäre, im Gegensatz zu allen halbherzigen Dingen, die wir bisher gemacht haben, ein echter Wellenbrecher. Denn wenn wir uns einmal über eine Ansteckungszeit vor dem Virus verstecken, nehmen wir ihm millionenfach die Möglichkeit, überzuspringen.

Und wenn man das alles zwei Wochen vorher kommuniziert, hat jeder auch Zeit genug, ohne Hamsterkauf-Stress genug Toilettenpapier, Mehl und Hefe einzkaufen. Das gelingt ja vor dem Camping-Urlaub auch, ohne dass es Stress gibt.

Ich höre schon das Jammern: Da entsteht ja ein gewaltiger wirtschaftlicher Schaden. Das stimmt. Der entsteht aber schon seit einem Jahr unter Einsatz unvorstellbarer Milliardensummen. Und er wird mit dem derzeitigen mutlosen On-Off-On-Kurs nicht geringer.

Also: Ziehen wir in den ersten Krieg, der Leben rettet.

4 Antworten

  1. Ein grandioser Beitrag, lieber Herr Streiter! Ja, es könnte so einfach sein. Stattdessen wird alles daran gesetzt, das Mögliche unmöglich zu machen – und umgekehrt.

    In der Hoffnung, Sie auch weiterhin wohlauf zu wissen, grüße ich Sie sehr herzlich!

    Ihre
    Tülin Emircan

    PS: Und auf wenn ich mich wiederhole: Sie fehlen!
    PPS: Habe bereits angeregt, Ihren Beitrag auf http://www.bundesregierung.de zu veröffentlichen 😉

  2. Lieber Georg, wie recht Du hast! Ich bin sofort dabei. In keinem Land ist es bisher gelungen ohne harte Maßnahmen die Ansteckung signifikant zu stoppen. Meine Nichte auf Menorca durfte wochenlang das Haus nicht verlassen und konnte von allen Fenstern aufs Meer vor der Türe schauen… und wir regen uns wegen ein paar Tagen auf! Gruß Barbara

  3. Ja, ich sehe das genauso, bin n seit Wochen über diesen unsinnigen und teuren Mittelweg entsetzt! Und ich würde mir wünschen die Politik wäre mutig und würde das umsetzen!
    Herzliche GrüßeDagmar

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