Die CDU wählt den Sieger der halben Herzen

Armin Laschet (l.), Friedrich Merz und Norbert Röttgen (r.) kämpfen um die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer – Fotomontage: imago images / Sven Simon

Wenn uns am kommenden Samstag (16. Januar 2021) die CDU ihren neuen Vorsitzenden präsentiert, wird sie stolz darauf sein, unter den fürchterlichen äußerlichen Bedingungen eines Abwesenheits-Parteitags endlich – nach fast einem Jahr des Stillstands – die Führungsfrage beantwortet zu haben. Aber wer auch immer das Rennen macht: Er wird nur der Sieger der halben Herzen sein. Weder Armin Laschet noch Friedrich Merz noch Norbert Röttgen werden der CDU zu einem begeisternden Start in ein Wahljahr verhelfen, in dem es um die entscheidende Weichenstellung für die Nach-Merkel-Ära geht. Kein Sieger wird Begeisterung auslösen. Der neue Parteivorsitzende wird zunächst nicht mehr als nur der kleinste gemeinsame Nenner sein.

Die wahlentscheidende Frage wird sein: Kann man auch ohne Angela Merkel gut und gern in Deutschland leben?

Fehlende Begeisterung ist schlecht für die CDU, die immer einen Machtanspruch hat. Schon am 14. März wird sich bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz andeuten, ob es ein eher gutes oder eher schlechtes Jahr für die CDU wird. Die alles überlagernde Frage wird sein: Kann die CDU der Mehrheit der Wähler glaubhaft vermitteln, dass man mit einer CDU auch ohne Angela Merkel („Sie kennen mich!“) in Deutschland gut und gern leben kann. Und das nicht nur ohne Merkel, sondern auch noch mit Corona. Das ist die Frage, die der neue Vorsitzende (und der Kanzlerkandidat, der nicht zwingend der neue CDU-Vorsitzende sein muss) beantworten muss.

Das lastet schwer auf den 1001 Delegierten des virtuellen Parteitags. Sie allein entscheiden. Nicht die CDU-Mitglieder, schon gar nicht die Meinungsumfragen.

Zwei der drei Kandidaten schauen nicht nur nach vorn, sondern wollen auch alte Rechnungen begleichen

In die Entscheidung der Delegierten wird auch einfließen, dass zwei der drei Kandidaten nicht nur nach vorn schauen, sondern auch von Vergangenheitsbewältigung angetrieben sind.

Friedrich Merz hat noch eine Rechnung mit Angela Merkel offen – Foto: CDU/Tobias Koch

Friedrich Merz geht es auch darum, einen späten Sieg gegen Angela Merkel zu erringen, die ihm nach der Bundestagswahl 2002 den Vorsitz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion entrissen hat. Weil er damals (törichterweise) überhaupt nicht damit gerechnet hatte, dass die damals noch relativ neue CDU-Vorsitzende auch diese Machtposition ganz selbstverständlich für sich beanspruchen würde, ist er bis heute tief verletzt. Öffentlich bestreitet er da natürlich, aber wer ihn kennt, weiß: Diese Wunde vielleicht heilen zu können, gibt ihm – obwohl er mit 65 Jahren der älteste Bewerber ist – einen besonderen Energie-Schub.

Norbert Röttgen hat gleich zwei Rechnungen offen: Er hatte zwar im Kampf um die Führung der nordrhein-westfälischen CDU im Jahr 2010 seinen Kontrahenten Armin Laschet bei einer Mitgliederbefragung souverän besiegt. Er wurde Spitzenkandidat für die NRW-Landtagswahl 2012 – und verlor alles: Weil er sich weigerte, auch als Oppositionsführer nach Düsseldorf zu gehen, war er im Land unten durch. Als er, damals Bundesumweltminister, auch noch versuchte, Angela Merkel die Schuld für seine Niederlage in die Schuhe zu schieben, feuerte sie ihn sofort kalt und unter größtmöglicher Beschädigung. So möchte auch Röttgen eben nicht nur CDU-Vorsitzender werden, sondern auch Laschet wie Merkel zeigen, wer zuletzt lacht.

Er hat sich dabei gar nicht so dumm angestellt: Er war der erste, der seine Kandidatur anmeldete. Er sah monatelang zu, wie sich Laschet und Merz kleinere Gefechte lieferten, wie Jens Spahn und Markus Söder von der Seitenlinie irritierten. Es lief gar nicht so schlecht, am Schluss sogar überraschend gut für Norbert Röttgen. Manche handelten ihn schon als Überraschungssieger im Kampf um die CDU-Spitze.

Röttgen hat sich selbst ins Aus geschossen

Norbert Röttgen hat seine Überraschungs-Chance verspielt – Foto: CDU/Tobias Koch

Und dann kam der Mittwoch dieser Woche. Die „Augsburger Allgemeine“ veröffentlichte ein Interview mit Röttgen, in dem er sich aus dem Nichts heraus gegen eine Beteiligung der FDP an einer Bundesregierung nach der Wahl im Herbst aussprach. „Die FDP hat ein historisches Versagen zu verantworten, indem sie sich nach zwei großen Koalitionen einem neuen

Anfang und der Regierungsverantwortung verweigert hat», sagte Röttgen, und:  „Auf eine Partei, die mal Lust hat zu regieren und dann wieder nicht, kann man sich nicht verlassen.“ Damit, so meine Vermutung, dürfte sich Röttgen drei Tage vor der Vorstandwahl selbst ins Aus geschossen haben. Vor einer Bundestagswahl, die aus Sicht der CDU/CSU mit Sicherheit sehr schwierig wird, eine von vielleicht nur zwei Koalitionsoptionen ohne jeden aktuellen Anlass einfach mal in die Tonne zu treten ist so dumm, dass es wohl auch der letzte Delegierte des CDU-Parteitags merkt. Die CDU hat immer einen unbedingten Machtanspruch gehabt. Durch dieses Interview hat Röttgen bewiesen, dass er nicht über den dafür notwendigen Machtinstinkt verfügt. Und dass Angela Merkel 2012 völlig recht hatte, ihn zu entlassen.

Ein Großteil der CDU wird unzufrieden sein

Viel spricht für Armin Laschet, aber sicher ist die Sache nicht – Foto: CDU/Laurence Chaperon

Wir dürfen gespannt sein. Im September hatte ich mich festgelegt, dass Friedrich Merz in der CDU nichts mehr wird und Armin Laschet als leibhaftiger Kompromiss das Rennen macht. Das vermute ich auch heute noch – würde es aber nicht mehr beschwören. Es kann auch anders kommen. Wer auch immer gewinnt: Eine großer Teil der CDU wird unzufrieden sein, und zwar länger anhaltend. Das wird sich noch als großes Problem im Wahljahr herausstellen.

2 Antworten

  1. So sieht’s wohl aus. Nur zu Kandidat Röttgen sehe ich die Sache etwas anders. Er ist ja kein Ignorant. Natürlich weiß er, dass er selber k e i n e Wahl gewinnen kann. Aber vielleicht eine Auswahl, wenn es bald ums neue Kabinett und das AA geht? Er kandidiert doch jetzt nicht um den Vorsitz. Er braucht einen prallen Achtungserfolg für seine tatsächlichen Ambitionen.
    Norbert Röttgen weiß schon, warum die FDP seinerzeit nicht ins letzte Kabinett Merkel eingetreten ist. Nein, er setzt auf die Stimmen der Delegierten, die das nicht wissen oder wissen wollen.

  2. Wenn man sich mal denkt, man könnte Herrn Merz persönlich treffen. Der einem dann mit schrägem Blick und absolut respektlos seinen Genius präsentiert, wer möchte denn wirklich 2021 mit so einer Person die Ehre haben, im selben Raum zu sein.

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